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Geschichte der Wirbelsäulenbehandlung

 

 

Die erste klinisch eindrucksvolle Beschreibung von Wirbelsäulenverletzungen findet sich in einem alten ägyptischen Papyrus etwa 2500 v. Chr. (27). Hier wurde die Instruktion für diagnostische Merkmale einer Halswirbeldislokation so angegeben:

 

"Wenn du einen Mann untersuchst, der eine Dislokation eines Halswirbels hat, so solltest du ihn deswegen seiner Arme und Beine nicht bewusst finden, während sein Glied erigiert ist und ohne sein Wissen Samen aus seinem Glied tropft; sein Fleisch hat Wind empfangen; seine Augen sind blutunterlaufen; - dann solltest du von ihm sagen: Er hat eine Halswirbeldislokation; da er Arme und Beine nicht empfindet und sein Samen tropft. Eine Krankheit, die nicht behandelt werden kann.“

 

Nach heutiger Kenntnis muss es sich bei dieser Beobachtung um eine Querschnittlähmung handeln, die durch eine Luxation oder Luxationsfraktur verursacht ist.
HIPPOKRATES schrieb über die Wirbelbrüche mit Lähmung, dass sie durch eine Überstreckung zustande kommen, dass er kein Verfahren kennt, mit dem man eine derart verschobene Wirbelsäule einrichten könne, und dass diese Verletzten sterben müssen (19).

Er schlug für die Behandlung von Halswirbelsäulenverletzungen ohne Lähmung das Ziehen am Nacken vor. Für die Reposition von Brust- und Lendenwirbelsäulenverletzungen empfahl er die Extensionsbank, die später als Scamnum Hippokratis beschrieben wurde. Der Patient befand sich in Bauchlage auf dem Scamnum und wurde mit Stricken von den Schultern aufwärts und von der Hüfte abwärts extendiert, während der Heilkundige auf dem Gibbus entweder sitzend oder stehend die Deformation mit seinem Körpergewicht einpresste. Neben der konservativen Behandlung wurde bereits im 7. Jahrhundert die operative Behandlung in Erwägung gezogen. PAULUS VON AGINA (59) schlug vor, dass auf das Rückenmark drückende Bruchstück operativ zu entfernen.

AMBROISE PARÈ und MERCATUS (19) haben im 16. Jahrhundert die Einrichtung in vertikaler Suspension eingeführt.
1891 operierte HADRA (36) als erster den Fall einer Luxationsfraktur der Halswirbelsäule. Dabei stabilisierte er die Verletzung durch eine Drahtzuggürtung zwischen den benachbarten Dornfortsätzen. MACEWEN (19) empfahl 1896 für die Behandlung der Wirbelbrüche mit Lähmungen das Entfernen der Dornfortsätze und der Bögen und nannte diese Operation Laminektomie. MAGNUS hatte 1929, 1930 und 1931 (19, 45) die Laminektomie vollständig abgelehnt. Er begründete dies damit, dass die Lähmungen entweder durch eine Hämatomyelie bedingt sind - dann gingen sie spontan zurück; oder das Rückenmark durchgequetscht ist - dann blieben die Lähmungen bestehen und die Operation wäre zwecklos. 1909 versuchte FRITZ LANGE (42) aus München die Wirbelfrakturen operativ zu stabilisieren, indem er zwei Stahlstäbe mit Drähten an den Dornfortsätzen verbunden und damit die Wirbelsäule geschient hat.

 

1911 haben FRED ALBEE (5) und RUSSEL HIBBS (37) die Ergebnisse ihrer Wirbelsäulenfusionen publiziert, die sie bei tuberkulösen Deformierungen der Wirbelsäule angewendet haben. L. BÖHLER (18) vertrat 1930 die konservativ-funktionelle Behandlung der Wirbelfrakturen. So wurden die drei Forderungen der Knochenbruchbehandlung (Einrichten, Ruhigstellen, Üben) zum ersten Mal planmässig auch für die Wirbelbrüche durchgeführt.

Die anschließende Entwicklungsperiode der Wirbelsäulenbehandlung ist von den Europäern geprägt. In den letzten Jahren wurde die Behandlung der Wirbelfrakturen durch die Entwicklung der Traumatologie entscheidend verbessert. Dabei wurde neben der operativen Aufrichtung der Fraktur und der konservativ- funktionellen Behandlung eine ganze Reihe von Stabilisierungsverfahren und Zugangswegen entwickelt.

Die Technik der Stabilisierung der Halswirbelsäule wurde durch die Pionierarbeit von CLOWARD, SMITH-ROBINSON, J. BÖHLER, MAGERL, ROY-CAMILLE, LOUIS u.a. weiter ausgebaut und wurde so immer erfolgreicher. 

 

Funktionelle Anatomie der Halswirbelsäule

 

Um die Verletzungsmechanismen der Halswirbelsäule und ihre Behandlungsmöglichkeiten zu verstehen, ist die anatomische Kenntnis von großer Bedeutung. An der Halswirbelsäule lassen sich folgende anatomische Grundstrukturen unterscheiden:
1. Wirbel und Gelenke,

2. Discus intervertebralis,
3. Ligamente.
Das Zusammenwirken dieser Grundstrukturen ermöglicht der Wirbelsäule die Funktion, Lasten und Momente zwischen Kopf und Rumpf zu übertragen (statische Funktion), Bewegungen zwischen Körperpartien zu ermöglichen (dynamische Funktion), und das Rückenmark vor äusseren Schäden zu schützen (Schutzfunktion).

 

Wirbel und Gelenke

 

Die Halswirbelsäule umfasst 7 Halswirbel. Die Körper der Halswirbel sind im Verhältnis zu den anderen Wirbelkörpern klein, da sie ja nur den Kopf (7% des Körpergewichtes) zu tragen haben. Durch die gelenkige Verbindung des Schädels mit der Halswirbelsäule sind der 1. und der 2. Halswirbel in ihren Formverhältnissen sehr abweichend von den übrigen Halswirbeln gestaltet.

Die Form des Atlas unterscheidet sich von den anderen Wirbeln dadurch, dass der Körper fehlt. Der Atlas besteht hauptsächlich aus zwei massigen Seitenstücken, (Massae laterales), die die Gelenkflächen für die Gelenkverbindung des Atlas mit dem Schädel und dem 2. Halswirbel tragen. Die beiden Massae laterales sind durch einen vorderen und hinteren schmalen Bogen, Arcus anterior und posterior, miteinander verbunden. Der Dens des 2. Wirbels nimmt den Platz